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Jahresabschluss 2023 des Ortenau Klinikums mydrg.de





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Jahresabschluss 2023 des Ortenau Klinikums

Ortenau-Klinikum mit 33 Millionen Euro Defizit (Medienmitteilung).



Den TOP 2.2 „Ortenau Klinikum; Feststellung des Jahresabschlusses 2023 der Ortenau Klinikum gKAöR“ der heutigen, letzten Sitzung des bisherigen Kreistags wird Christian Keller, Vorstandsvorsitzender des Ortenau Klinikums, mit folgenden Ausführungen einleiten:

„Leistungsentwicklung und Jahresergebnis:
Im Klinikverbund wurden 2023 insgesamt 61.163 Patienten stationär behandelt. Das sind 1.006 stationäre Patienten mehr als im Jahr 2022. Das Ortenau Klinikum kann damit erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie in 2020 den Trend umkehren und wieder Patienten hinzugewinnen. Auch bei den ambulanten Behandlungen verzeichnet der Klinikverbund mit 180.551 Fällen einen Zuwachs von insgesamt 2,08 Prozent gegenüber 2022 (+ 3.676 Fälle). Besonders stark ist in diesem Bereich die Zunahme an ambulanten Operationen mit 14,84 Prozent. Der Trend zur Ambulantisierung hält an.
Dennoch verzeichnet das Ortenau Klinikum bei einer in 2023 auf rund 520 Mio. Euro gestiegenen Bilanzsumme (455 Mio. Euro in 2022) einen Bilanzverlust von rund 33,1 Mio. Euro. Dieser lag in 2022 bei 8,3 Mio. Euro.

Erläuterung der Abweichung zum Wirtschaftsplan und zum Jahresergebnis 2022:
Bei der Erstellung des Wirtschaftsplanes 2023 wurde vor dem Hintergrund der auslaufenden Corona-Pandemie weiterhin von finanziellen Teilausgleichen der Erlösausfälle durch den Bund und das Land ausgegangen.

Der geplante Jahresfehlbetrag für das Jahr 2023 lag bei -28,767 Mio. Euro.
Im Wirtschaftsplan 2023 wurde mit Ausgleichszahlungen in Höhe von 27 Mio. Euro (hiervon 22 Mio. Euro bzgl. der wirtschaftlichen Folgen durch die Corona Pandemie und 5 Mio. Euro für die Energiepreissteigerungen) gerechnet. Im Jahr 2022 betrugen die Corona-Ausgleichszahlungen noch rd. 33 Mio. Euro.
Der Jahresfehlbetrag 2023 beläuft sich auf -39,813 Mio. €. Die Abweichung zum Wirtschaftsplan 2023 liegt bei rd. 11 Mio. Euro. Die Abweichung ist damit durch die Differenz der realisierten zu den geplanten Ausgleichszahlungen entstanden. Insgesamt erhielt das Ortenau Klinikum von Bund und Land lediglich 14 Mio. Euro Corona-bedingte Ausgleichszahlungen und damit 13 Mio. Euro weniger als im Wirtschaftsplan veranschlagt.

In Folge der Pandemie kam es bundesweit zu einem signifikanten Rückgang der stationären Patientenzahlen - und damit zu einem Erlösrückgang. Bis heute gab es hierzu keine Erholung. So lag die stationäre Patientenzahl bundesweit in 2023 immer noch rd. 11 Prozent unter derjenigen aus 2019.

Hinzu kommen zu geringe Ausgleichszahlungen durch Bund und Land bei gleichzeitig hohen Tarifabschlüssen und gestiegener Inflation mit in Folge zweistellig erhöhten Bezugspreisen, gestiegene Kosten für Leiharbeitskräfte, gestiegene Energiebezugskosten sowie höhere Abschreibungen durch die Aktivierung von Interimsbaumaßnahmen (z.B. OP-Neubau Ebertplatz).

Während die Kosten für Lohnzahlungen und Sachgüter um rund sieben Prozent gestiegen sind, lag der Budget-Anstieg für 2023 lediglich bei 4,42 Prozent. Damit setzt sich die seit Jahren bestehende Erlös-Kosten-Schere fort. All dies führt zu einer Erhöhung des Jahresfehlbetrags in 2023 um 24,6 Mio. Euro gegenüber dem Ergebnis des Wirtschaftsjahres 2022.

Die wirtschaftliche Situation der Kliniken in Deutschland hat sich seit Corona und der Inflationsentwicklung in 2023 massiv verschärft. Das System der Krankenhausfinanzierung war noch nie so unterfinanziert wie momentan.

Aufgrund von verpflichtenden gesetzlichen Vorgaben durch den GBA, wie z.B. die Vorgabe einer 30-minütigen Erreichbarkeit durch einen Facharzt oder der Vorgabe der Vorhaltung einer Facharztquote, sind wir insbesondere in den für die Versorgungslandschaft relevanten Spezialversorgungsbereichen, wie in der Unfallklinik Offenburg oder der Kinderklinik Offenburg, sehr unwirtschaftlich geworden. Hier sieht der gemeinsame Bundesausschuss eine 30-minütige Erreichbarkeit eines speziellen Facharztes vor, was dazu führt, dass wir anstelle eines Rufdienstes einen Bereitschaftsdienst einrichten müssen, der pro Dienstreihe (Besetzung nachts und am Wochenende) bis zu 200.000 Euro Personalmehrkosten gegenüber einem Rufdienst (keine zeitliche Vorgabe) verursacht.

Um in den aktuellen tariflichen Rahmenbedingungen mit maximal vier Diensten pro Arzt und Monat eine 30-minütige Erreichbarkeit am Patienten zu gewährleisten, müssen rechnerisch acht Ärzte (insbesondere auch wegen Ausfall durch Ruhezeit am nächsten Tag entsprechend Arbeitszeitgesetz) zur Verfügung gestellt werden. Früher hatten wir in einer vergleichbaren Situation maximal drei bis vier Fachärzte im Rufdienst. Dadurch sind die Kosten, bei identischen Erlösen, elementar gestiegen.

Des Weiteren bestehen im Bereich des Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV) in der Unfallklinik Offenburg immer höhere Vorgaben zur Vorhaltung, insbesondere seitens der zuständigen Berufsgenossenschaft. So müssen wir nicht nur Unfallchirurgen und Orthopäden, sondern auch beispielsweise Radiologen sowie Handchirurgen vorhalten. Ab dem 1. Juli 2026 ist für die SAV zusätzlich auch die 24/7 Anwesenheit von Ärzten aus den Fachdisziplinen Viszeralchirurgie und Neurochirurgie verpflichtend mit entsprechend einhergehenden höheren Kosten.

Im Bereich der Kinderklinik versorgen unsere Kinderärzte der Kinderklinik Offenburg zur Sicherheit der kindlichen Versorgungssituation unentgeltlich auch die weiteren Klinikstandorte in Achern sowie in Lahr. Diese führen die U2-Untersuchungen (Neugeborenen-Basisuntersuchung), die zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag durchgeführt werden müssen, nach der Geburt durch, was eigentlich in den Zuständigkeitsbereich der niedergelassenen Kinderärzte fällt, dort jedoch seit geraumer Zeit nicht mehr adäquat erbracht wird.

Die Folge daraus ist, dass alleine diese beiden Kliniken eine gemeinsame Unterdeckung in einem sehr hohen einstelligen Millionenbereich aufweisen.

Eine 30-minütige Erreichbarkeit durch einen Facharzt am Patientenbett ist außerdem für folgende weitere Disziplinen durch den GBA/ OPS-Strukturprüfungen gesetzlich vorgeschrieben: Anästhesie, Gastroenterologie, Gefäßchirurgie, Kardiologie, Neurochirurgie, Neurologie, Radiologie, Viszeralchirurgie.

Das Spannungsfeld zwischen einer nicht auskömmlichen Krankenhausfinanzierung in Deutschland, einem sich verschärfenden Fachkräftemangel und starken Kostensteigerungen, lässt auch für die kommenden Jahre deutliche Verluste erwarten. Wir gehen in den nächsten Jahren durch ein Tal der Tränen. Ein grundsätzlich richtiger Ansatz einer Krankenhausreform, zu der nach wie vor viele Details der Finanzierung ungeklärt sind, wird im Idealfall erst in einigen Jahren wirklich greifen. Vor diesem Hintergrund ist es richtig gewesen, schon ab 2016 die Neustrukturierung der Kliniklandschaft im Ortenaukreis anzugehen. Laut der aktuellen Krankenhausstudie „Ohne Fusionen keine Zukunft“ von Roland Berger stehen vielen Kliniken Strukturanpassungen in der sich verschärfenden wirtschaftlichen Lage erst noch bevor.

Stellenplan:
Im vergangenen Jahr war das Ortenau Klinikum auch als Arbeitgeber weiterhin sehr attraktiv: Über 6.000 Menschen, zunehmend mehr in Teilzeit, arbeiteten Ende des Jahres für den Klinikverbund. Das Ortenau Klinikum konnte bei insgesamt 3.654 Vollstellen 51 neue Vollstellen im patientennahen Bereich einrichten.

Die Stellenzuwächse in den Kliniken Offenburg-Kehl, Wolfach sowie in den Zentralen Diensten sind mit 33 VK überwiegend dem Pflege- und Funktionsdienst zuzuordnen, der durch das Pflegebudget gegenfinanziert wird.
Der Ärztliche Dienst ist in Summe um 7 VK angestiegen. Der Stellenaufbau erfolgte überwiegend im Department Kardiologie an der Betriebsstelle Offenburg-Kehl, um den Aufbau des Linksherzkatheter-Messplatzes 24/7 erfolgreich abzuschließen. Damit wird das Ortenau Klinikum Offenburg-Kehl die höchste Notfallversorgungsstufe – (umfassende Notfallversorgung, früher Maximalversorger, neu Level 3) erreichen können.
Ebenso wurden die Auszubildenden erstmals separat ausgewiesen, was zu einem Stellenzuwachs in Höhe von 15 VK führt. Auch ist die Zahl der Auszubildenden 2023 erfreulicherweise angestiegen. Sie wuchs von 563 in 2022 um 66 auf 629 in 2023. In den anderen Berufsgruppen gab es keine Zuwächse bzw. teilweise einen Rückgang.

Investitionen:
Bei den Investitionen des Ortenau Klinikums belaufen sich 2023 die Bruttozugänge im Sachanlagevermögen auf rund 50 Mio. Euro. Davon betragen die Investitionen für Einrichtungen und Ausstattungen sowie für immaterielle Wirtschaftsgüter rund 5 Mio. Euro und die Investitionen im Baubereich rund 45 Mio. Euro. Die Hauptinvestitionen waren hier Planungs- und Baukosten für die Neubauten in Achern, Lahr und Offenburg in Höhe von rund 11,2 Mio. Euro. Sowie für die Zentren für Gesundheit in Ettenheim, Gengenbach und Oberkirch in Höhe von 14,2 Mio. Euro. Ebenso für den Umbau im Pflege- und Betreuungsheim Ortenau (PBO) in Höhe von 2,2 Mio. Euro.

Fazit und Ausblick
Die im Zuge der Agenda 2030 eingeleiteten strukturellen, medizinischen und baulichen Maßnahmen entsprechen den Grundsatzvorgaben von Bund und Land. Diese sind damit – mit steten minimalen Kurskorrekturen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben – weiterzuverfolgen.

Steigende, defizitäre Jahresergebnisse sind derzeit ein branchenweites Phänomen der deutschen Krankenhäuser.

Die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Branche konfrontieren die Krankenhäuser mit einem massiven Druck auf Jahresergebnisse und Liquidität. Die Liquiditätssteuerung ist derzeit wichtigste Aufgabe.

Insbesondere die Konsolidierung des Leistungsportfolios sowie Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen gewinnen weiter an Bedeutung. Die tariflichen und gesetzlichen Vorgaben (z.B. Vorgaben wie die 30-minütige Erreichbarkeit am Patienten) zwingen uns weiterhin dazu, zusätzliche Dienste und Dienstreihen und damit eine größere Anzahl an Ärzten vorhalten zu müssen. Die in 2025 neu eingeführte Pflegepersonal-Regelung 2.0 (kurz: PPR 2.0) wird im Bereich der Pflege auch zu einer erhöhten Vorhaltung bei gleichen Kapazitäten führen, was bedeutet, dass wir insgesamt mehr Pflegepersonal für die gleiche Anzahl an Betten brauchen. Eine spürbare Reduzierung der Vollkräfte ist daher nur durch Strukturveränderungen mit einhergehender Erlösrückgängen möglich.

In großen Teilen der Branche wird mit einer weiteren Verschärfung der Lage gerechnet. Mit einer Stabilisierung bzw. teilweisen Verbesserung der Jahresergebnisse und Liquiditätssituation wird erst gegen Ende des Jahrzehnts gerechnet.

Hierzu ein Zitat von Prof. Augurzky (Leiter Kompetenzzentrum „Gesundheit“ am Leibniz-Institut für Wirtschaftsförderung und Mitglied in der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ des Bundesministeriums für Gesundheit) zum positiven Ausblick ab 2030:
„Im Jahr 2030 könnten dann nur noch 24 Prozent der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich liegen und 75 Prozent der Häuser wieder ein positives Jahresergebnis schreiben. Erreicht werden könnte dies im Rahmen von Zentralisierungen durch die Zusammenlegung von Standorten sowie von Schwerpunktbildungen durch die Bündelung von Leistungsgruppen. "Es wird alles gut, aber nicht sofort" – mit diesen Worten kommentierte Professor Augurzky den Ausblick, den der Rating Report 2024 gibt. Die Übergangsphase sei hart, aber das müsse auch so sein, unterstreicht er. "Man braucht Druck, damit man in eine Veränderungsphase kommt. Wenn Sie den Krankenhäusern jetzt Geld geben, wird der Landkreis nichts ändern."

Es ist gut, dass wir die Weichen für neue Strukturen mit der Agenda „Ortenau 2030 – Zukunft Gesundheit“ frühzeitig gestellt haben. Dies ist insbesondere der weitsichtigen und mutigen Politik von Landrat Frank Scherer und der Gremien des Ortenaukreises zu verdanken. Die Auswirkungen von Corona und Inflation auf das Ortenau Klinikum sind deshalb weniger gravierend wie andernorts. Mit den gemeinsam eingeleiteten Maßnahmen ab 2018 konnte das kumulative Defizit bis 2030 um 173 Mio. Euro reduziert werden.“

Quelle: Medienmitteilung, 24.07.2024

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