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Ambulantisierung in Deutschland schlecht vorbereitet

Ambulantisierung: Dringend mehr fachärztliche Versorgung für eine alternde Gesellschaft benötigt (Deutsche Gesellschaft f. Unfallchirurgie).



Seit über eineinhalb Jahren werden viele medizinische Eingriffe, die zuvor im Krankenhaus durchgeführt wurden, in den ambulanten Bereich verlagert, auch in der Orthopädie und Unfallchirurgie (1,2). Ziel dieser Maßnahme ist es, das Pflegepersonal in den Krankhäusern zu entlasten und die Gesundheitskosten zu senken. (3,4,5) Allerdings wurde bei dieser Reform der zweite Schritt vor dem ersten gemacht: Die notwendigen Kapazitäten in der ambulanten Versorgung wurden nicht entsprechend ausgebaut. Patientinnen und Patienten müssen heute deutlich länger auf einen Facharzttermin warten als noch vor drei Jahren. (6,7) Mit der geplanten Krankenhausreform könnte sich diese Situation weiter verschärfen. (8)

Die Lösung? Sie liegt in der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Fachärzten – nicht gegen sie.9 Viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie fragen sich inzwischen, wann die Versorgung der alternden Gesellschaft nicht mehr gewährleistet sein wird und wann deutsche Verhältnisse denen in England oder Schweden ähneln werden.10 „Im Klartext bedeutet dies, dass Patientinnen und Patienten künftig bis zu zwei Jahre auf einen Behandlungs- oder OP-Termin warten müssen“, warnt Dr. Tobias Vogel, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, im Vorfeld des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU). Vogel ist in diesem Jahr Präsident der europaweit größten Tagung für Fachärztinnen und Fachärzte dieser Disziplin.

Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten bremst Ambulantisierung aus
„Die Ambulantisierung ist an sich eine gute Idee“, betont der Mediziner. Durch die Verlagerung von stationären ärztlichen Eingriffen in den ambulanten Bereich werden laut Experten Fehlanreize und Fehlsteuerungen im Gesundheitssystem korrigiert.11 Dies sollte zu der notwendigen Kostensenkung führen, denn Deutschland hat aktuell das drittteuerste Gesundheitssystem weltweit.5 Doch dieser Plan kann nur gelingen, wenn ausreichend niedergelassene Fachärzte und genügend OP-Kapazität vorhanden sind – genau das ist jedoch derzeit nicht der Fall.9

Krankenhausreform könnte Versorgungslücken schaffen
Sollte die geplante Krankenhausreform dazu führen, dass die ambulante Versorgung in den Krankenhäusern konzentriert wird und gleichzeitig jedoch viele Kliniken geschlossen werden, wird sich die Lage weiter verschärfen. Eine wohnort- und zeitnahe Versorgung wäre dann laut Vogel nicht mehr gewährleistet. Es drohten Versorgungslücken und eine schleichende Leistungskürzung.

Zu einer Förderung der Zweiklassenmedizin könnte es kommen, wenn Menschen, die es sich leisten können, für eine schnelle und hochwertige Behandlung privat bezahlen. Gesetzlich Versicherte hingegen müssten warten.

Fachkräftemangel bedroht Reformziele
Für die Krankenhäuser wird es zudem eine große Herausforderung sein, ausreichend qualifizierte Fachärztinnen und Fachärzte zu rekrutieren.9 Der medizinische Nachwuchs ist knapp, und die Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland sind nach wie vor hoch.12 „Ohne eine Kurskorrektur droht die angestrebte Kostenreduktion auf dem Rücken der Versicherten umgesetzt zu werden“, sagt Vogel. Ein Szenario, das den Zielen des Bundesgesundheitsministeriums, Kosten zu senken und gleichzeitig die Qualität zu verbessern, widerspricht. Auch wenn dies keiner so deutlich sagen möchte: Laut Vogel drohen Leistungskürzungen.

Die Ambulantisierung und die Krankenhausreform sind zweifellos notwendig. Doch schlecht durchdachte Strukturreformen bringen erhebliche Probleme mit sich, die vermeidbar wären. „Nur in enger Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Fachärzten können diese Reformen erfolgreich umgesetzt werden – insbesondere mit Blick auf die alternde Gesellschaft“, bilanziert Vogel.

Ambulantisierung – das Thema ist heiß
Der DKOU 2024 widmet der Ambulantisierung und dem Paragrafen 115f Sozialgesetzbuch V eine eigene Hot-Topic-Veranstaltung. Unter dem Motto „Zukunft wollen. Zukunft machen.“ werden sich die erwarteten über 8.000 Kongressteilnehmenden im Oktober nicht nur über die Fortschritte in ihren Fachgebieten informieren, sondern auch intensiv die aktuelle gesundheitspolitische Situation diskutieren.

Referenzen

https://www.dkgev.de/fileadmin/default/AOP-Katalog_2023.pdf;
https://www.gkv-90prozent.de/ausgabe/36/kurzmeldungen/36_aop-katalog/36_aop-katalog.html
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/148802/Hybrid-DRG-bieten-Potenzial-fuer-zuegige-Ambulantisierung
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/150733/Weitere-Ambulantisierung-vorantreiben
https://www.aok.de/pp/gg/update/oecd-vergleich/
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/706853/umfrage/umfrage-zur-wartezeit-auf-den-letzten-arzttermin-nach-krankenversicherung
https://www.tagesspiegel.de/gesundheit/zweieinhalb-monate-und-mehr-kassenarzte-rechnen-mit-deutlich-langeren-wartezeiten-10988041.html
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/krankenhaus/regierungskommission-krankenhausversorgung
https://www.kbv.de/html/1150_64413.php
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/145201/So-viele-Menschen-wie-noch-nie-warten-in-England-auf-Routine-OP
https://www.gesundheitsmarkt.de/ambulantisierung-deutscland-entwicklungen/
https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/aerztemangel-fachkraefte-ausland-100.html

Quelle: Deutsche Gesellschaft f. Unfallchirurgie, 08.10.2024

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